Priesterin der Yoruba in Nigeria

Von Luisa Francia

Seit rund fünfzig Jahren lebt Susanne Wenger nun schon in Nigeria, wo sie zur Obatala Priesterin geweiht und später auch in den Kult der Oshun initiiert wurde und die Tradition der Yoruba Religion weitergab. Eigentlich gehört man nur zu einem einzigen "orisha", einer Gottheit, wird initiiert und dadurch "olorisha" eine Art PriesterIn oder SchamanIn dieser Gottheit.Susanne wurde aber zur olorisha der Oshun, weil sie ihren Hain in Oshogbo rettete und durchsetzte, dass er jetzt auch staatlich geschützt wird. Susanne ist eine der letzten alten Autoritäten der alten Yorubatradition. Der Künstler Dokun Oyetunde sagt von ihr: Sie spricht sogar besser Yoruba als ich. Auszüge aus meinem Gespräch mit ihr in Oshogbo (ich habe ihr einen Kristall vom Binntal in der Schweiz mitgebracht).

Susanne: Sehr schön ist der. Irgendwie gibt man Dinge ja nicht auf. Die Berge waren ja meine Universitäten, und ich sehe natürlich nicht, dass ich von hier weggehen werde, aber andererseits bin ich ja nicht böse auf die Berge und die Stimmung. Wie ist die Reise verlaufen?

Luisa: Naja, ganz gut, ich bin mit Buschtaxis hierhergefahren. Eigentlich wollte ich Lagos vermeiden, weil ich mir nicht sicher war, ob das gut geht. Aber es war gar kein Problem.

Susanne: Naja, da leben Leute schon jahrelang in Lagos und haben keine Ahnung. Wenn in einer Stadt so viele verschiedene Kulturen aufeinander treffen, dann schließen sich die einzelnen Gruppen von der Außenwelt sehr ab. Die haben viele Tabus, die sehr strikt sind. Kürzlich war ich in Lagos, da hat mich eine Freundin ausgeführt. Dann kam der Kellner und sagte alle müssen nach Haus gehen, weil da gleich eine Prozession vorbeikommt. Und nachdem ich das weiß von sehr traditionellen Seiten, hab ich es ihm geglaubt. Wer es ihm nicht abnimmt, ist halt dann unterwegs. In gewissen Vierteln in Lagos wo die alten Traditionen leben, mitten zwischen den zivilisierten Geschäftsleuten, spielt es in Lagos überhaupt keine Rolle, dass da der Ausrufer kommt. Wenn der sagt, alle müssen von der Strasse weg, dann machen das diese Leute, die Rechtsanwälte und die Manager, weil sie wissen, dass man das machen muss, weil man sonst abgefangen und umgebracht wird.

Luisa: Traditionelle Umzüge sind also auch in Lagos nicht einfach ein Trachtenumzug wie bei uns.

Susanne: Das Tabu ist eine Macht. Wenn ich am Fluss entlang zur Arbeit gehe...

Luisa: Arbeit?

Susanne: Zur Arbeit an den Skulpturen im Hain... füttere ich immer die Fische mit altem Brot. Fische gehören zu Oshun, der Göttin des Flusses. Dann sitze ich am Fluss und das ist nicht einfach so ein „Bacherlsitzen“. Der Fluss hat eine besondere Energie. Ich bin ja keine Buddhistin, aber die Meditation gefällt mir schon sehr gut. In der Yoruba-Tradition leben die Götter mit den Menschen in einer Gemeinschaft. In einer so aufregenden Grenzsituation müssen die Rahmen passen, es muss alles genau stimmen. Der Lärm hat diese nur fast-physischen Geschöpfe natürlich weggedrängt. Mit diesen Moscheen das ist ja wirklich grauenhaft - jeder compound hat da eine Moschee mit Lautsprechern, da werden die Götter beschimpft. Der Herrgott hat seinen Thron dem Geld überlassen. Aber die Leute mit denen ich lebe, sehen von dem Geld nichts. So wird es immer schwerer. Es ist natürlich schon aufregend mitten drin zu sein, wenn man noch ein bisschen Optimismus hat. Ich bin imstande sehr schnell zu vergessen und neue positive Schwingungen aufzunehmen. Mein Aufenthalt am Fluss, den ich mir sehr erkämpfe, stärkt mich. Der kleine Fluss ist natürlich schon etwas sehr Besonderes. Natürlich hat das Ritual, das seit Urzeiten dort ausgeführt wird, sehr viel Kraft da hineingelegt. In jedem Ritual wird die Welt neu erschaffen. Jetzt wird ja jedes Ritual mit Video gefilmt, mit allem wird Geschäft gemacht. Aber es ist nicht gut, an den abgeschnittenen Fingernägeln der Götter zu verdienen. Man muss halt lernen außerhalb der Zeit zu denken. Der Fluss war natürlich schon heilig und etwas Besonderes bevor die Yoruba kamen. Er war der Wohnort für vormenschliche Geschöpfe, die ja für uns jetzt auch noch existieren. Dass ich den Fluss und den Hain verteidigt und beschützt habe, das macht das Leben sinnvoll und es erübrigt sich die Frage: soll ich den Rest meines Lebens wirklich in dieser Dekadenz, die überall ist, weitermachen...